Passen Webdesign und Umweltschutz zusammen? Gibt es überhaupt so etwas wie grünes Webdesign? Und, wenn wir schon dabei sind: Kann man vorhandene Webauftritte grüner machen?
Ich hatte vor einiger Zeit selbst einmal zum Thema recherchiert, kürzlich beim WordCamp Vienna hielt Simon Kraft einen sehr umfassenden und inspirierenden Vortrag zur Grünen Transformation im Netz.
Allgemeine Überlegungen zum Ressourcenverbrauch und ein Rechenbeispiel
Jeder Aufruf einer Webseite verbraucht Strom und setzt als Folge davon CO₂ in die Atmosphäre frei -so weit die unstrittige Theorie. Aber was bedeutet dieser Ressourcenverbrauch konkret? Nutzen wir ein Beispiel, um ein Gefühl für die Dimensionen zu bekommen: Eine durchschnittliche Website, dazu ein mittlerer Traffic von etwa 300 Besucher pro Tag, also ca. 10.000 Aufrufe pro Monat.
Was auf den ersten Blick nach keinem besonders großen Fußabdruck aussieht, verursacht pro Jahr dennoch einen durchschnittlichen Kohlendioxidausstoß von etwa 60 kg, einer Menge an CO₂ also, die in etwa der Kompensationsleistung von vier Bäumen entspricht (NB: Diese Kompensationsleistung ist wiederum ein Durchschnittswert, der von vielen Faktoren abhängt, u.a. Baumart, Alter des Baumes, Holzdichte, Zuwachsrate, Standort und Klima, Bodenqualität, Wasserversorgung etc.)
Um den Kohlendioxidausstoß unserer Beispielseite – oder auch unserer eigenen, konkreten Website – zu optimieren, bietet sich folgendes Vorgehen an:
Schritt 1: Den Kohlendioxidausstoß der eigenen Website bestimmen
Es ist eine Illusion anzunehmen, dass wir als Websitebetreiber die volle Kontrolle über den Ressourcenverbrauch eines beliebigen Websitebesuchs hätten. Wir haben sie nicht, denn es gibt verschiedene Instanzen, die bestimmen, wie hoch der CO₂-Ausstoß eines konkreten Websitebesuchs ausfällt:
- Die eigene Infrastruktur und alles was wir auf unserem Server bereitstellen,
- der Datentransfer, also der Weg von unserem Server zum Rechner des Besuchers, und
- die technische Infrastruktur des Besuchers.
Die einzige Stellschraube – und damit auch der Bereich unserer Verantwortung als Websitebetreiber – ist Punkt 1, also unsere eigene Infrastruktur und alles, was wir an Material auf unserem Rechner bereitstellen. Neben umweltfreundlich erzeugtem Strom für den Serverbetrieb sind die Dateigrößen des von uns bereitgestellten Materials der gewichtigste Faktor für den Stromverbrauch und damit die CO₂-Emissionen. Anders ausgedrückt: Je aufgeblähter unsere Daten sind, desto mehr Volumen muss übertragendes werden, desto mehr Strom wird verbraucht, desto höher ist der CO₂-Ausstoß.
Wie ist es also um unser bereitgestelltes Material und unsere Infrastruktur bestellt? Der CO₂-Ausstoß, den ein beliebiger (oder unser konkreter) Webauftritt verursacht, lässt sich Hilfe von Webdienstes Website Carbon Test ziemlich genau berechnen:
Ein wichtiger Faktor beim Ranking des Website Carbon Tests ist die Frage, mit welcher Art von Strom der eigene Provider sein Rechenzentrum betreibt. The Green Web Foundation zeigt an, ob das Hosting grünen Standards entspricht:
Leider sind nicht alle umweltfreundlichen Hoster bei diesem Dienst registriert. Speziell bei kleinen Providern bekommt man möglicherweise ein falsch-negatives Ergebnis angezeigt. In diesem Fall lohnt es sich, direkt beim Provider nachzufragen, ob das angebotene Hosting umweltfreundlich ist.
Schritt 2: Den Stromverbrauch der eigenen Website reduzieren
Umweltfreundliches Hosting und effiziente Infrastruktur
War der oben genannte Providertest negativ und auch die konkrete Nachfrage brachte keine Bestätigung, dass der eigene Hoster mit Ökostrom arbeitet und sich um CO₂-Ausgleich bemüht? Dann jetzt eine mögliche Maßnahme, sich nach einem energieeffizienteren und umweltfreundlichen Anbieter umzusehen und ggf. zu wechseln.
Und noch eins oben drauf: SSD-Webhosting wählen
SSD-Webhosting bedeutet, dass die Server beim Provider alle Daten auf Solid-State Drives (SSDs) speichern – und nicht auf herkömmlichen Hard Disk Drives (HDDs). SSDs sind schnell, robust, leistungsstabil und langlebig, was schon mal Elektroschrott vermeidet. Und weil SSDs auf bewegliche Komponenten verzichten, also weder Motoren noch mechanische Lese-/Schreibköpfe haben, verbrauchen sie im Betrieb deutlich weniger Energie (konkret 2 bis 3 Watt, was sich aber bei Datenzentren mit vielen Servern gewaltig summieren kann).
Datenvolumen reduzieren und dadurch Energie sparen
Wenn das Hosting so weit passt, geht es um Datenmenge und Energieverbrauch. Hier gibt es eine ganze Reihe an Stellschrauben. So lässt sich das zu übertragenen Datenvolumen reduzieren, indem man beispielsweise
- veraltete Inhalte löscht,
- auf unnötige Animationen verzichtet,
- Bilder optimiert, komprimiert und und in modernen Dateiformaten wie .AVIF ausliefert;
- moderne Schriftformate wie .WOFF nutzt;
- Videos niemals automatisch bzw. im Hintergrund der Website laufen lässt (nicht nur wichtig für den Stromverbrauch, sondern auch für die Barrierefreiheit und den Datenschutz);
- die vorhandenen Webinhalte optimal strukturiert, sodass Besucher die gewünschten Informationen möglichst schnell und effizient finden;
- optimiertes HTML und modernes CSS verwendet;
- Pufferspeicher (Cache) nutzt, beispielsweise für Schriften, CSS-Dateien, Skripte.
Spezielle Maßnahmen für WordPress-Nutzer
Zu den speziellen Energiespar-Maßnahmen für WordPress gehört u.a.:
- ein veraltetes und ineffizientes Theme wechseln,
- nicht genutzte Plugins löschen,
- das automatische Laden von YouTube Videos etc. per Plugin blocken (z.B. mit Hife des Plugins Embed Privacy),
- Caching-Plugins nutzen (z.B. WP Rocket, Cachify etc.),
- Code optimieren.
Schwachstellen finden
Wer noch tiefer dringen möchte und konkret nach den Schwachstellen des eigenen Webauftritts suchen möchte, der kann mit folgenden Tests Problemstellen identifizieren:
- Google Lighthouse (Chrome Plugin)
- https://www.webpagetest.org
Der schöne Nebeneffekt: Besseres Suchmaschinenranking
Ja, das klingt jetzt alles nach ziemlich viel Arbeit. Ist es auch.
Aber es gibt auch gute Nachrichten. Bzw. einen schönen Nebeneffekt all dieser Maßnahmen: Schlanke und gut strukturierte Website sind nicht nur gut für die Umwelt, sondern sie sorgen auch für eine positive Nutzererfahrung. Und optimierte Dateigrößen bewirken nicht nur verbesserte Ladezeiten (was Umwelt wie Nutzer freut), sondern bringen auch beim Suchmaschinenranking Punkte.
Schritt 3: Testen, testen und weiter testen…
Viel Arbeit, und die Arbeit hört so schnell auch nicht auf, denn nach dem Test ist bekanntlich vor dem Test. Weil sich die Rahmenbedingungen immer wieder ändern – neue Webinhalte, neue Bilder, neue Plugins, neue Themes – lohnt es sich, die eigene Website in regelmäßigen Abständen unter die Lupe zu nehmen. Weil nichts von Dauer ist, nicht einmal positive Ergebnisse.
Aber man sollte sich vielleicht einen Screenshot ziehen, den Screenshot vom allerersten Mal, den ersten Website Carbon Test. Und sich den irgendwo auf dem eigenen Rechner abspeichern. Weil es tatsächlich Freude macht und ungemein motiviert, wenn man die Werte vergleicht, beispielsweise das ursprüngliche Ergebnis mit dem Wert nach Optimierung bzw. Relaunch.
Viel Spaß beim Optimieren!
PS: Ach ja, wie ich es selbst mit dem Thema Das Web kann grüner werden halte? Nun, ich baue meine Sites mit 100% Ökostrom und hoste grün, bei einem kleinen Anbieter, der sich aktuell gerade darum bemüht, bei The Green Web Foundation entsprechend gelistet zu werden. Und die kleinen Tricks und Kniffe beim Code wende ich an. Zum Teil erinnert mich das ganze an früher, als das Web neu und die Internetverbindungen schlecht waren, und wir uns redlich darum bemühten, Ladezeiten zu verbessern indem wir den Content optimierten… Jetzt machen wir Ähnliches, nur eben aufgrund anderer Beweggründe…